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Neon-Lichter auf Super 8

Interview mit Patrick Müller

Jürgen Lossau, 04. April 2020

BLINK OF NEON EYES, auf Deutsch NEON BLINZELN – so heißt Patrick Müllers Kurzfilm, für den eigens Musik komponiert wurde. Und sogar live eingespielt – bei der Filmpremiere in Braunschweig. Wie dieser Super-8-Streifen in den USA entstand, erzählt Patrick Müller in unserem Interview.

 

Patrick, wie kam es zu dieser surrealen Nacht voller Neonlichter im März 2019 in Las Vegas?

Patrick Müller: Ich war auf einem Road-Trip quer durch die USA unterwegs und hatte dort Halt gemacht. Seit Jahren habe ich Bilder von Leuchtreklame aus alten Wochenschauen im Kopf, aber auch von alten Films Noirs. Meistens sieht man dort nur die Leuchtwerbung, aber drum herum bleibt alles schwarz. Ich mag diese bunten, reißerischen Verlockungen, die das nächtliche Dunkel erleuchten. Wenn man so etwas filmen möchte, ist Las Vegas perfekt. Denn dort findet man alle Arten an alten und neuen Neon-Schildern. Es gibt sogar ein Museum mit ausgemusterter Leuchtwerbung! In der ganzen Stadt ist diese überlebensgroß und kann mittlerweile dank moderner LED-Technik nun auch Videos darstellen, was aber nur selten wirklich gekonnt eingesetzt wird. Surreal war diese Nacht deshalb, weil der Ort allein schon ungewöhnlich ist. Eine Stadt in der Wüste, die nur dem Spiel-Vergnügen dient. In der es keine Bänke gibt, denn Sitzen soll man nur am Spielautomaten. Wo Hunde ihr Geschäft auf Plastikrasen verrichten und römische Säulen mit USB-Ladetechnik ausgestattet sind.

 

Patrick Müller beim Dreh mit seiner Minolta in Las Vegas

Hast du erstmal drauf los gefilmt und dir über ein Konzept erst später Gedanken gemacht?

Vor Drehbeginn standen Titel und Konzept schon fest. Ich wusste also, dass das Neon-Blinzeln aus vielen kleinen Sequenzen bestehen sollte. Sie sollten die bedrückende, aber faszinierende Stimmung einfangen – voller Gegensätze. Draußen herrschten ja 38 Grad! Die Luft ist unglaublich trocken und der nachgebaute Canal Grande verströmt einen feinen, verstörenden Chlorgeruch. Ich filmte deshalb viele Details und Bewegungen, aber auch Herzen, Schilder und Autos, die mit ihren roten Bremslichtern die pulsierenden Lebensadern der Stadt befahren. Sogar Nachrichten sind in Textform dabei, die über den Tod eines mir unbekannten Spielers berichten.

“Ich verwendete die kleine und leichte Minolta XL-401. Ihr f 1.2-Objektiv ist erstaunlich lichtstark, scharf und die Kamera ist schön unauffällig.”

Welchen Film und welche Kamera hast du verwendet?

Ich habe zwei Kassetten des neuen Ektachrome 100D verwendet, die ich sicherheitshalber vor der Reise in Berlin bei click & surr gekauft hatte. Ich war mir unsicher, ob ich in den USA überhaupt welchen kaufen kann. Und das war gut so! Denn auf der gesamten Reise wurde ich sonst nur in San Francisco und in New York fündig. Als Kamera verwendete ich die kleine und leichte Minolta XL-401. Ihr f 1.2-Objektiv ist erstaunlich lichtstark, scharf und die Kamera ist schön unauffällig.

 

Minolta XL-401 und Kodak Ektachrome 100D

Entwicklung und Abtastung hast du gleich in den USA machen lassen. Wie sind deine Erfahrungen damit?

Da ich Angst hatte, dass die zahlreichen Flughafen-Scans mir den Film verderben und ich ohnehin an der Moby-Dick-Stadt New Bedford vorbei kam, klingelte ich gleich beim CineLab. Dort hat man mich herzlich empfangen und mir sogar eine Führung durch den Betrieb angeboten. Ich konnte also sehen, wo mein Film entwickelt und gescannt wird. Zum Einsatz kam ein Xenia-Scanner, der das Material in 4K-Auflösung digitalisiert hat. Das ging erstaunlich schnell, schon kurz nach der Rückreise in Deutschland zwei Wochen später konnte ich die ProRes-Datei bequem aus dem Internet herunterladen.

 

Du strebst immer nach höchstmöglicher Qualität im Schmalfilmformat. Das wird schon daran deutlich, dass du sonst gern mit der seltenen und sehr aufwändigen Logmar Super-8-Kamera arbeitest. Bist du mit den Ergebnissen von Kamera, Film, Labor und Scan bei deinem Neon-Projekt zufrieden?

Ja, das war alles ganz so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich hatte zuerst überlegt, die Logmar mitzunehmen, aber Größe und Gewicht sind bei einer mehrmonatigen Reise entscheidende Faktoren.

“Der Musiker Uwe Rottluff aus Chemnitz hat für BLINK OF NEON EYES neue Musik geschrieben, worüber ich sehr glücklich bin.”

Im November 2019 hast du deinen Film in Braunschweig beim Internationalen Film Festival zeigen können. Dabei kam es zu einer Weltpremiere, nämlich einer Live-Performance mit dem Musikprojekt Wellenvorm. Wie kam es dazu?

Hinter dem Projekt Wellenvorm steht der Musiker Uwe Rottluff aus Chemnitz. Ganz neu war das nicht, 2015 hatte er bereits zahlreiche Filme von mir mit Musik versehen. Bei BLINK OF NEON EYES und THE GARDEN, den ich auch in den USA gedreht habe, hat er jedoch extra dafür neue Musik geschrieben, worüber ich sehr glücklich bin. In Braunschweig war das etwas ganz Einzigartiges: Uwe mit seinen Musikinstrumenten war unten auf der Bühne, ich spielte oben mit einem Hokushin-Projektor synchron die 16mm-Filme dazu ab.

Filmpremiere auf 16mm in Braunschweig

Wie waren die Reaktionen in Braunschweig?

Sehr positiv. Für viele, die eine echte Filmprojektion noch nicht erlebt hatten, war das wie Zauberei. Der junge Tontechniker sagte: „Das sieht so schön aus!“ Es gab anschließend so viele Fragen, dass das Q&A 30 Minuten dauerte.

 

Jetzt ist der Film mit der Live-Performance versehen. Gab es vorher eine andere Vertonung?

Nein, der Film war in letzter Minute fertig geworden. Uwe Rottluff hat auf seinem Modular-Synthesizer improvisiert, eine große Box mit unzähligen Knöpfen. Ich war vorher extrem aufgeregt und danach überglücklich, wie das Ergebnis geworden ist. Er hat die erstickende, pulsierende Atmosphäre der Großstadt gut eingefangen.

Uwe Rottluff mit seinem Modular-Synthesizer

Ist der Film auch auf anderen Festivals zu sehen?

Er sollte auf den Dresdner Schmalfilmtagen laufen, aber verständlicherweise wurde das Festival wegen der Corona-Pandemie verschoben. Mal sehen, ob es Alternativen gibt. Er lief auch noch beim Twin Rivers Festival in den USA, die ihn wegen Corona live-streamten. Im August zeigt ihn auch das Vegas Cinefest in Las Vegas.

 

Offenbar gibt es den Film nicht nur digital, wenn du ihn als 16-mm-Kopie in Braunschweig gezeigt hast?

Neben einer digitalen DCP habe ich für Analogfilmfestivals auch eine 16-mm-Projektionskopie vom Digital Intermediate ziehen lassen, die den Film so richtig zur Geltung kommen lässt. Eine vorführbereite Super-8-Kopie gibt es nicht.

Einzelbild aus dem Super-8-Film. Alle Fotos: Patrick Müller

Wird es vielleicht eine weitere Zusammenarbeit mit Wellenvorm geben?

Bestimmt! Ich wollte im März einen Horrorfilm über Polarlichter nach einer literarischen Vorlage in Schweden drehen, dann wurde die Reise wegen der Pandemie abgesagt. Ich lasse aber nicht locker und versuche es im nächsten Jahr noch einmal.

 

Was sind deine Film-Pläne für dieses Jahr?

Wegen der Ausgangssperre ist es schwer, das einzuschätzen. Sobald sie aber vorüber ist, bin ich zuversichtlich, dass dann die Ideen von selbst kommen werden. Zeit für Inspiration ist ja derzeit genug…

Patrick Müllers Webseite: https://www.patrickcinema.de

Der Film (ganz oben) kann mit dem Passwort super8 freigeschaltet werden.



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