Der Meister der Beaulieus

Björn Andersson repariert Filmkameras

Jürgen Lossau, 11. April 2020

Wer heutzutage seine Filmkamera reparieren lassen will, hat es nicht leicht. Es sind weltweit nur noch wenige Experten vorhanden, die diesen Job wirklich beherrschen. Freunde der Beaulieu-Filmkameras haben es bei der Suche einfach. Denn es gibt nur noch einen, der diese Kameras aus dem Eff-Eff beherrscht: Björn Andersson in Schweden. Ein Gespräch mit einer lebenden Legende.

Björn Andersson in seiner Werkstatt

Björn, du arbeitest seit 46 Jahren an Beaulieu-Kameras. Beginnen wir mit der Situation heute. Was sind die häufigsten Probleme bei der Reparatur einer Beaulieu Super-8-Kamera?

Eigentlich gibt es kein besonderes Problem, außer dass nach 40 Jahren das Fett und Öl nicht mehr Fett und Öl ist. Es ist mehr oder weniger verschwunden oder verklebt. Die Kamera braucht eine wirklich gute Reinigung für alle Mechanismen. Im Innern der Beaulieu 4008 zum Beispiel ist der interne 85er Wratten-Filter mehr oder weniger aufgelöst. Er muss entfernt werden, und das Gehäuse muss für die Verwendung eines externen Filters modifiziert werden. Der Filter ist ein sehr wichtiger Teil des optischen Systems. Einige Leute verstehen das nicht… Alle Einstellungen werden dann auf die Werksspezifikationen eingestellt, Objektiv und Kamera werden für eine perfekte Scharfeinstellung kollimiert.

 

Es wird gesagt, dass alle Akkus nach kurzer Zeit ein Problem mit den Originalbatterien hatten…

Alle alten NiCad-Akkus sind bereits abgestorben. Ich habe neue Akkus mit NiMh-Zellen (Nickel-Metallhydrid-Akkumulator) hergestellt. Deshalb habe ich jetzt eine ganze Charge solcher Akkus zum Verkauf. Sie sehen so aus wie die, die Wittner Kinotechnik früher verkauft hat. Dasselbe passiert mit der Augenmuschel; sie ist kaum mehr brauchbar. Ich hatte gestern ein Treffen mit meinem Lieferanten. Er zeigte mir ein paar Muster für eine neue Charge dieser Augenmuscheln. Es sind die großen schwarzen für die Beaulieu 6008 und all die anderen Modelle. Diese Augenmuschel wird bald kommen.  

Björn Anderssons Arbeitsplatz

Reparierst du alle Beaulieu-Modelle, auch die späten von Bell & Howell gebauten wie die 1008 XL und 1028 XL 60?

Ja, aber dafür gibt es keine Nachfrage. Diese Modelle sehen ein wenig billig aus und sind nicht so häufig. Ich habe auch eine riesige Menge an Ersatzteilen für sie, aber es besteht kein Bedarf.

 

Welches Modell wird in deiner Werkstatt am häufigsten repariert?

Es ist die 4008 in allen ihren Versionen. Von diesem Typ sind etwa 100.000 produziert worden. Sehr selten habe ich über die Jahre Kameras gesehen, die wirklich abgenutzt waren. Es ist eher so, dass sie sehr, sehr schlecht behandelt worden sind. Sie sind nicht durch den normalen Gebrauch abgenutzt, sondern eher durch das Verschulden des Benutzers.  

 

Wie steht es mit 16mm?

Ja, ich repariere auch die R16-Kameras.

Beaulieu R16

Wie viele Reparaturen führst du pro Monat aus?

Es kommt mehr oder weniger jeden Tag eine Kamera an.  

 

Und die Aufträge kommen aus ganz Europa?

Das ist total global, weltweit! (Es klingelt an der Tür von Björns Werkstatt) Hier kommt ein Paket mit einer Kamera aus Österreich.  

 

Wahnsinn! Du bist also wirklich der Einzige auf der Welt, der das jetzt noch macht?

Ich will es mal so sagen: Alle meine alten Kollegen, die in der Beaulieu-Fabrik für die Reparatur von Kameras ausgebildet wurden, sind verstorben. Es gibt keine anderen Mitarbeiter, die das später gelernt haben. Und heute? Meistens wissen die Leute nicht mal, an welchem Ende sie einen Schraubenzieher halten müssen. Sie sind eher gut am Computer.  

 

Wie viel kostet eine durchschnittliche Reparatur einer Beaulieu?

Ich sage immer, dass man mit mindestens 200 Euro rechnen muss. Ich habe keine festen Preise für irgendetwas. Keine Kamera ist wie die andere. Alle eintreffenden Geräte werden geprüft und die Einsender erhalten einen Kostenvoranschlag. Die Kunden sollen nicht mehr bezahlen, als nötig ist. Das war schon immer meine Philosophie.  

 

Kommen auch einige Doppel-8-Kameras zur Reparatur?

Die repariere ich nicht. Dafür habe ich keine Ersatzteile. Und ich habe keine wirklich gute Dokumentation über diese Kameras. Mit Super-8-Kameras habe ich genug zu tun! Man kann nicht für alles ein Experte sein.

 

Wie und wann bist du mit Beaulieu in Kontakt gekommen?

Eigentlich war das gar nicht so interessant für mich. Meine große Leidenschaft war der Straßenrennsport, und ich bin in ganz Europa Rennen gefahren, und um ehrlich zu sein, habe ich viele Rennen auch gewonnen. Rennen zu fahren, meine Motorräder technisch zu betreuen, zu tunen und zu warten – das war meine Art von Geschäft. Wenn ich keine Rennen fuhr, musste ich aber irgendwo Geld verdienen, also arbeitete ich als Lastwagenfahrer. Man empfahl mir jedoch, wegen einer Verletzung mit dem Rennsport aufzuhören, und bot mir eine Stelle als Ingenieur für den Beaulieu-Vertrieb in Schweden an. Das war 1974.

Ich liebte es wirklich, Motorräder zu warten. Aber superkleinen Teile einer Filmkamera gefielen mir nicht. Nach reiflicher Überlegung nahm ich das Angebot von Beaulieu jedoch an und begann die Ausbildung zum Kameratechniker. Ich wurde sofort nach Frankreich zur Schulung und Ausbildung ins Beaulieu-Werk geschickt.   Tatsächlich sind die grundlegenden Techniken aller Beaulieu-Modelle mehr oder weniger gleich, wenn man also ein Gerät kennt, kennt man sie alle. Diese französischen Primadonnen haben manchmal seltsame Lösungen in ihrer Konstruktion, es kann schon knifflig sein. Alles muss bei der Reparatur am richtigen Punkt begonnen werden, sonst kann es als Rätsel enden. Aber trotzdem gab es immer etwas, das die Reise wert war. Zumindest die französischen Weine waren immer gut! Und ich arbeite nun schon seit fast 50 Jahren mit Beaulieu-Kameras. Ich glaube, ich weiß, wie man sie auch mit verbundenen Augen demontieren kann.

 

Beaulieu-Fabrik in Romorantin um 1975 (3 Bilder)

Wie lange hast du für den Beaulieu-Vertrieb in Schweden gearbeitet? Das Super-8-Geschäft ist ja Anfang der 1980er Jahre nahezu komplett eingebrochen.

Ja, als Super 8 langsam vom Videoboom überrollt wurde, fand mein Arbeitgeber in Schweden dieses Geschäft nicht mehr lukrativ. Also verkaufte er seine Firma an mich. Das war 1982. Ich begann dann, mich neben dem Verkauf auf Reparatur und Wartung weltweit zu konzentrieren. Ich erhielt viele Aufträge sowohl aus Schweden als auch aus dem Ausland. Ja, zu dieser Zeit gab es eine große Nachfrage nach meinem Know-how, nicht nur von den Beaulieu-Besitzern, sondern auch von professionellen Kameraleuten.

Der berühmte schwedische Fotograf und Kameramann Lennart Nilsson zum Beispiel – der Mann, der als erster im menschlichen Körper filmte – ließ mich einige Beaulieu R16 auf das Super-16mm-Format umarbeiten. Er machte die berühmte Produktion „Ein Kind wird geboren“. Es hat so viel Spaß gemacht. Ich arbeitete ab 1974 mit ihm zusammen. Und alles endete mit zwei Emmy Awards.

Damals waren Hochgeschwindigkeitskameras und Projektoren, vor allem als wissenschaftliche Werkzeuge, im Einsatz. Zum Beispiel bei der Analyse von simulierten Autounfällen oder bei der Ballistik von Artilleriegranaten. Unter anderem betreute ich Hochgeschwindigkeitskameras und Analyseprojektoren mit einer Geschwindigkeit von über 80.000 Bildern pro Sekunde für die Kameras, wie NAC und Photo Sonic, die für den wissenschaftlichen Gebrauch entwickelt wurden.

 

Was geschah mit der Beaulieu-Reparaturwerkstatt in Frankreich?

1993, als ihr Ingenieur in den Ruhestand ging, verlegten sie diese Geschäftseinheit von Paris nach Romorantin. Nun bestand das Problem jedoch darin, einen kompetenten Nachfolger für den pensionierten Ingenieur zu finden – deshalb baten sie mich, die Leitung zu übernehmen. Ich akzeptierte und verbrachte die acht bis zehn letzten Tage jedes Monats in Frankreich, um die Beaulieu-Kameras, die sich in der ersten Hälfte der Monate in den Regalen versammelt hatten, zu warten und zu reparieren. Zwischen 1993 und 1998 hatte ich meine monatlichen Flüge nach Paris, und danach schickte man die Kameras für einige Jahre nach Stockholm.

 

Möchtest du den Beaulieu-Besitzern noch etwas sagen?

Ja, all diese „Upgrades“ für Super-8-Kameras, wie breitere Bildfenster, zusätzliche Objektive wie Anamorphoten, sind alle wirklich nett, um damit zu prahlen. In Wirklichkeit bringen sie jedoch keine großen Vorteile für die Filmaufnahmen. Man kann nicht vermeiden, dass die Objektive nach der Verbreiterung des Bildfensters in bestimmten Brennweiten Vignettierungen bekommen. Linsen oder Filter vor dem Objektiv können die optischen Eigenschaften der Kamera verändern, ganz zu schweigen von weniger Licht auf dem Film. Die Kamera soll so funktionieren, wie sie in ihrer ursprünglichen Form und in ihrem ursprünglichen Zustand funktionieren sollte. Die Toleranzen innerhalb einer Super-8-Kamera sind viel zu gering, um daran noch herumzumanipulieren. Wenn jemand allerdings unbedingt will, dass ich das Bildfenster aufrüsten soll, kann ich das tun.

Der Kontakt zu Björn Andersson: info@beaulieu-service.com

 

Björn Anderssons Hobby: Motorrad-Rennen, hier 1983 auf der Isle of Man mit Lasse Nordström

 



Wir danken unseren Sponsoren, die das Entstehen des Super 8 Webportals möglich gemacht haben.

kodak.comsuper8.nladox.descreenshot-berlin.delogmar.dksuper-8.comfilmfabriek.nlfilm-auf-video.dewinkel.van-eck.netpro8mm.comgaugefilm.co.uksydsuper8.tumblr.comfilm-und-technik.deandecfilm.de