„Super 8 ist natürlich schöner“
Interview mit einem Musikclip-Macher
Sein erstes Super-8-Musikvideo war sofort ein Hingucker: 3,6 Millionen Zuschauer sahen die Band Alvvays und ihren Song „Adult Diversion“ auf YouTube. Jetzt hat der kanadische Filmemacher Colin Medley wieder zu Super 8 gegriffen. Für einen Musikclip des Sängers Andy Shauf, gedreht in Schwarzweiß. Wir sprachen mit Colin über die Faszination von Super 8.
Colin, du bist Fotograf und Video-Regisseur in Toronto. Wie bist du ausgerechnet an Super 8 geraten?
Ich bin als Teenager zur analogen Fotografie gekommen und habe damals auch angefangen, Videos zu drehen. Da wusste ich noch nicht wirklich viel über Super 8. Ich habe mit allem gedreht, was mir vor die Nase kam, nämlich mit VHS- und Mini-DV-Camcordern und später mit DSLRs. Eines Tages, vielleicht vor etwa zehn Jahren, sah ich, dass ein befreundeter Filmemacher eine Super-8-Kamera hatte. Ich glaube, es war die Canon Auto-Zoom 814. Also bat ich ihn darum, sie mir auszuleihen, um sie auszuprobieren.

Wie war dein erster Film mit Super 8?
Mein erstes Projekt war ein Musikvideo, das ich 2013 für eine Band namens Alvvays gedreht habe. Es sollte ihr erstes Musikvideo werden, und ich dachte, der Look von Super 8 würde gut zu ihrer Ästhetik passen. Ich wollte einfach etwas Lustiges und Unbekümmertes machen, das ihre Persönlichkeit einfängt und zum Song passt. Ich finde, es ist großartig geworden! Ein Grund dafür, dass es so gut geworden ist, liegt darin, dass die Band sich selbst auf Super 8 eingelassen hat und die Kamera mit auf Tour genommen hat. Dadurch sind einige wirklich tolle Szenen entstanden, die ich nicht hätte einfangen können.
Welche Filmkamera verwendest du und warum gerade diese?
Ich selbst besitze gar keine Super-8-Kamera, aber in letzter Zeit habe ich mir die Nizo 481 ausgeliehen, die ich wirklich gerne benutze. Ansonsten drehe ich immer noch mit allem, was es so gibt, meistens mit der Lumix GH5 oder der Canon C100.
“Manchmal gab es eine seltsame Verwacklung oder etwas Unscharfes, aber mit Super 8 lernt man, diese Fehler zu akzeptieren.”
Wo siehst du die größten Unterschiede in der Arbeit zwischen Super 8 und Video?
Wenn ich mit Super 8 drehe, habe ich viel weniger Material, mit dem ich arbeiten kann, wenn es später um den Schnitt geht. Meistens mache ich ja Musikvideos. Dass die Musiker ihren Song immer wieder lippensynchron einspielen, ist mit Super 8 nicht möglich. Schon deshalb, weil ich mir normalerweise nur ein paar Filmkassetten leisten kann. Aber es ist ja auch technisch nahezu unmöglich.
Ich habe jedoch das Gefühl, dass Super-8-Film im Vergleich zum digitalen Bild so viel mehr natürliche Schönheit zeigt. Ich kann hier sogar Aufnahmen verwenden, bei denen ich es mir im digitalen Video zweimal überlegen würde, ob ich sie benutze. Beim Alvvays-Musikclip auf Super 8 gab es eine Menge Szenen, die ich nicht einbauen wollte, weil sie etwas Merkwürdiges an sich hatten oder weil ein Fehler vorlag. Aber die Band liebte sie, und ich denke, wir haben die richtige Entscheidung getroffen, sie trotzdem zu verwenden, denn jetzt sind sie einige meiner Lieblingsaufnahmen. Manchmal gab es eine seltsame Verwacklung oder etwas Unscharfes, aber mit Super 8 lernt man, diese Fehler zu akzeptieren.

Welche Filmsorten bevorzugst du?
Ich habe noch nicht mit allen Sorten gedreht. Bisher haben mir alle gefallen, ich bin nicht wählerisch.
Wie ist denn die Infrastruktur für Super 8 in Kanada? Wo kann man Filme kaufen, gibt es einige Labors für die Entwicklung und wie sieht es mit dem Scannen aus?
Wir haben so viel Glück in Toronto, denn wir haben hier eine wirklich tolle Infrastruktur für Super 8. Wenn du keine Kamera hast, kannst du Mitglied bei LIFT (Liaison of Independent Filmmakers of Toronto) werden. Dort gibt es eine ganze Reihe von Kameras, die man günstig mieten kann. Wenn die Kassetten belichtet sind, werden sie zur Entwicklung ins Niagara Custom Lab gegeben. Und wenn du sie scannen lassen willst, kannst du dies auch bei Niagara tun. Oder sie für einen erstklassigen Scan und eine Farbkorrektur zu Frame Discreet bringen. All diese Firmen verkaufen auch Filme! Was den Rest Kanadas betrifft, so habe ich bislang nur die Yukon Film Society in Whitehorse und Faucet Media Arts in Sackville, New Brunswick, besucht.
Wie bist du mit dem Sänger Andy Shauf zusammen gekommen?
Ich glaube, ich habe Andy 2013 kennengelernt. Er war auf Tournee und gab ein Konzert in Toronto. Ein gemeinsamer Freund hat uns vorgestellt, aber wir haben uns erst 2015 richtig beschnuppert, als ich in Berlin war und ein paar Wochen mit ihm auf Tournee gehen konnte. Damals habe ich wirklich angefangen, mit ihm zu arbeiten und habe seitdem viele Fotos und Videos mit Andy gemacht. Aber dies ist unser erstes Musikvideo.

War es gleich deine Idee, dieses Musikvideo unbedingt auf Super 8 und in Schwarzweiß zu drehen?
Ja, ich bin ziemlich schnell auf diese Idee gekommen. Ich wurde etwa zwei Wochen vor der Veröffentlichung des Songs von seinem Label gebeten, das Musikvideo zu machen, also musste ich schnell handeln. Ich arbeite in der Regel allein, daher haben alle meine Videos ziemlich einfache Konzepte. Andys Studio liegt in der Nähe meiner Wohnung, und ich habe in den letzten Jahren viel Zeit mit ihm verbracht, während er sein neues Album aufnahm. Die Idee war also, einfach nur einzufangen, wie es ist, dort zu sein.
“Die Aufnahmen entstanden wahrscheinlich deshalb in Schwarzweiß, weil ich gerade den Bob-Dylan-Dokumentarfilm Don’t Look Back gesehen hatte. Aber ich habe Schwarz-Weiß schon immer geliebt.”
Andy arbeitet in der Einsamkeit, nimmt alles selbst auf und spielt alle Instrumente auf seinen Alben. In diesem Song geht es darum, dass man ausgeht und sich mit seinen Freunden in einer Bar auf einen Drink trifft. Also dachte ich, es wäre lustig, ein wenig davon abzuweichen und Andy einfach zu zeigen, dass er zuhause bleibt und an der Musik arbeitet. Die Aufnahmen entstanden wahrscheinlich deshalb in Schwarzweiß, weil ich gerade den Bob-Dylan-Dokumentarfilm Don’t Look Back gesehen hatte. Aber ich habe Schwarz-Weiß schon immer geliebt.
Super-8-Aufnahmen mit Gesang zu synchronisieren ist problematisch. Wie hast du das hier gemacht?
Ja, es kann schwierig sein, das stumm gedrehte Material an den Gesang anzulegen. Letztlich muss man nur so lange herumspielen, bis es richtig gut aussieht. Natürlich führt die Aufnahme mit 18 Bildern pro Sekunde dazu, dass der Ton leicht driftet, also musste ich ihn alle paar Sekunden neu synchronisieren. Zum Glück lernt man, in diesen Momenten zu editieren. Die Aufnahmen, bei denen es nur um das Gitarrenspiel geht, sind etwas schwieriger, da man die Akkordwechsel anpassen muss. Ich bin kein Gitarrenspieler, deshalb bin ich immer im Zweifel, ob es richtig ist, aber bisher hat mir niemand etwas anderes gesagt. Das Schlagzeug ist dagegen ziemlich einfach.
Wie viel Material hast du für das Video genutzt?
Ich habe fünf Rollen Kodak Tri-X aufgenommen, die im Niagara Custom Lab in Rekordzeit entwickelt und gescannt wurden!
Welche Drehorte hast du benutzt?
Wir haben meistens nur in Andys Studio gedreht. Dann bin ich am nächsten Tag herumgelaufen und habe einige B-Rollen in Parkdale gedreht, wo sich die Bar The Skyline befindet. Der Song und das Album heißen The Neon Skyline, und das Ganze spielt sich in dieser Bar im Laufe einer Nacht ab.
“Nachdem ich ein paar Jahre lang nicht mehr mit Super 8 gedreht hatte, bin ich wieder zu diesem Medium zurückgekommen.”
Wie ist die Reaktion der Zuschauer und von Andy selbst auf den Musikclip?
Ich denke, es ist eine gute Reaktion. Andys frühere Musikvideos anderer Regisseure waren alle unglaublich, aber Andy selbst war nicht wirklich darin zu sehen, deshalb denke ich, dass die Leute gerne ein bisschen mehr von ihm sehen wollten.

Planst du bereits ein nächstes Projekt für Super 8?
Auf jeden Fall! Nachdem ich ein paar Jahre lang nicht mehr mit Super 8 gedreht hatte, bin ich wieder zu diesem Medium zurückgekommen.
Hast du noch etwas zu sagen? Etwas, was ich vergessen habe zu fragen?
Nein, eigentlich nicht, aber ich erzähle eine lustige Geschichte. Ich habe den Toaster, der in dem Video zu sehen ist, in allerletzter Minute gekauft, als ich auf dem Weg zu Andys Studio an einem Ort namens FullWorth in Parkdale war, und ich bin so froh, dass ich das getan habe, denn das ist der Lieblingsmoment vieler Leute in dem Video, wenn Andy den Toast isst. Aber wir mussten sofort aufhören, den Toaster zu benutzen, weil er irgendwie Feuer fing…
Die Webseite von Colin Medley: www.colinmedley.com














